Inhaltsverzeichnis
In Deutschland genießen die Bürger eines der stabilsten Stromnetze weltweit durch Windenergie. Gerade einmal etwas mehr als zehn Minuten muss der durchschnittliche Deutsche 2020 auf Strom verzichten. Doch auch bei uns kommt es zu längeren Stromausfällen. Kritiker der erneuerbaren Energien und der damit verbundenen Energiewende schieben dabei die Schuld gerne auf Wind – und Solarenergie. Wie viel an diesen Vorwürfen dran ist und wie eine neue Entwicklung aus Deutschland Windkraft auf die Zukunft vorbereitet, können Sie in unserem Beitrag lesen.
Welche Probleme führen die Kritiker ins Feld?
Die Kritik stütz sich hauptsächlich auf die sog. „Dunkelflaute“. Damit bezeichnet man die Zeiten, in welchen regenerativen Energien vor allem Wind- und Solarenergie keinen Strom produzieren können, da die „Ressourcen“ fehlen. Durch eine solche Flaute könnte es zu weitreichenden Stromausfällen kommen. Bei Windenergie also, wenn gerade Flaute herrscht und bei Solarenergie, wenn die Sonne nicht scheint oder hinter Wolken verborgen ist. Die Sorge ist dabei, dass diese „Dunkelflauten“ auch mal mehrere Tage oder sogar Wochen an Dauern können, so zum Beispiel in den Wintermonaten oder in nördlicheren Gefilden.
Diese Sorge wird durch eine Studie des Deutsche Wetterdienst (DWD) unterstütz. Der DWD hat Wetterdaten von 1995 bis 2015 ausgewertet und errechnet, dass Windanlagen sowohl auf See als auch auf Land in Deutschland im Durchschnitt 13-mal pro Jahr für eine Dauer von mindestens 48 Stunden nur zehn Prozent ihrer maximal installierten Leistung ausschöpfen konnten. Die Fotovoltaik ist dagegen stabiler. Rechnet man diese Anlagen mit ein, dann bleiben zwar immer noch zwei 48 Stunden Perioden, in denen kaum Strom geliefert wurde, allerdings wird deutlich das die Kombination das Netz stabiler macht.
Wie kann man Stromausfälle trotz Energiewende verhindern?
Albert Moser, der den Lehrstuhl für Übertragungsnetze und Energiewirtschaft der RWTH Aachen meint, über die aktuelle Situation: „Bislang hatten wir immer ausreichend Energiespeicher, die wir abrufen können, wenn wir Strom benötigen – Kohlehalden und Uranbrennstäbe etwa“. Diese Speicher gehen uns aber mit dem Atom- und Kohleausstieg verloren. Während viele Experten für ein Comeback der Atomenergie plädieren, kommt Moser zu einer anderen Folgerung: „Wir brauchen zusätzliche Gaskraftwerke, die auch über eine längere Zeit Strom liefern können, wenn die erneuerbaren Energien dazu nicht in der Lage sind.“
Hier stellt sich vielen die Frage ob Gaskraftwerke wirklich nachhaltig sein können. Erst vor Kurzem erklärte die EU-Kommission Gas- und Atomenergie zu einem nachhaltigen Investment. Was zuerst wie ein Widerspruch klingt ist bei genauerem Hinsehen keiner, weil man nach und nach CO₂-neutrale Gase statt des fossilen Erdgases einsetzt. So gibt es schon heutzutage Anlagen die vor allem mit Wasserstoff durch den Prozess der Elektrolyse Ökostrom erzeugen. Dazu sei gesagt das sich die meisten dieser Anlagen noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden, es wird jedoch erwartet das diese bald für den Markt bereit sind.
Auch auf die Frage wie viel Leistung nötig ist um die Energiewende zu schaffen kann man schon heute beantworten. Der Berliner Thinktank Agora Energiewende kommt laut einer Studie im Auftrag von Prognos, Öko-Institut und Wuppertal-Institut zu dem Ergebnis das die Gasleistung 2030 auf 43 Gigawatt ansteigen muss, bis 2050 müsste die Leistung dann noch einmal auf 73 Gigawatt steigen. Zum Vergleich aktuell stehen laut Bundesnetzagentur rund 32 Gigawatt in Deutschland zur Verfügung.
Der Studie liegt dabei zugrunde das alle Kohlekraftwerke bis zum Ende dieses Jahrzehnts abgeschaltet werden, was in Anbetracht der aktuellen EU-Klimaziele ein realistisches Szenario ist. Philipp Litz, Projektleiter bei Agora Energiewende, zeigt sich zuversichtlich das die Zeit bis dahin ausreicht um die nötigen Kapazitäten zu bauen. „Wir gehen davon aus, dass vor allem viele kleine, dezentrale Gasmotoren und -turbinen installiert werden. Das geht deutlich schneller als der Bau von Großkraftwerken.“
Die einzige Frage die immer noch in der Schwebe ist: Wer soll diese Kraftwerke bauen und betreiben? Vor allem wenn man bedenkt das es sich dabei um ein Sicherheitsnetz handelt das nicht aktiv in das Verbrauchsnetz einspeist. Der Hauptanreiz für private Unternehmen wäre dabei die Strombörse. Sollte die Nachfrage nach Strom und damit den Gaskraftwerken hoch sein dann werden natürlich auch die Preise an der Börse steigen und machen so die Investitionen rentable. Allerdings sollten diese Signale ausbleiben oder nicht genügen dann könnte man auch über staatliche Anreize nachdenken, wie einer Prämie.
Außerdem gibt es immer noch die Möglichkeit das der Staat selbst die Kraftwerke betreibt um so das Profitmotiv zu entfernen und nur die Sicherstellung der Versorgung zu garantieren. Christoph Kost vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) meint zu den Kosten: „Betrachtet man die Energiewende als Ganzes, sind die Kosten für die Back-up-Kapazitäten überschaubar“. Er verweist zudem darauf, dass auch ohne Energiewende erheblich in den Kraftwerkspark investiert werden müsste, da viele Kohlekraftwerke veraltet sind.
Mit Windenergie aus ganz Europa gegen den Stromausfall
Außerdem soll eine engere europäische Zusammenarbeit für weitere Sicherheit sorgen. Vor allem das sich die Wetterverhältnisse innerhalb des Kontinents erheblich unterscheiden. So bläst der Wind auf dem Balkan häufig dann kräftig, wenn an der Nordsee gerade Flaute herrscht. Deshalb fördert die EU gerade den europäischen Netzausbau, um so diese Gegebenheiten auszunutzen und den Strom über die Grenzen hinweg zu liefern. Kost prognostiziert das dieser innereuropäische Austausch in den kommenden Jahren stark zunehmen wird. Laut Kost „Das stärkt die Versorgungssicherheit, auch in Dunkelflauten.“
Auf der anderen Seite sind Batteriespeicher während einer „Dunkelflaute“ nicht hilfreich, da sie sich schnell entladen. Anders hingegen beim sogenannten Lastmanagement: Industrieunternehmen können einige Prozesse in Zeiten verlagern, in denen viel Energie zur Verfügung steht und der Börsenpreis für Strom daher niedriger ist. Agora-Experte Litz warnt davor, das Potenzial des Lastmanagements in dunklen Zeiten zu unterschätzen. Allerdings sind die Anreize, die Anlage nach Strombezug zu betreiben, noch zu gering, da Strom mit vielen Steuern und Abgaben belegt ist. „Dadurch nehmen die Verbraucher Schwankungen der Stromtransaktionspreise kaum wahr“, so Litz. „Hier muss reformiert werden.“
Was aber wenn es doch zu einem Stromausfall kommt?
Stromausfälle oder Blackouts betreffen nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Kraftwerke selbst, vor allem Windkraftwerke stellt dies vor eine Herausforderung. Ein Forschungsinstitut aus Deutschland hat sich diesem Problem angenommen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass moderne Windparks immer größer werden. So soll ab 2025 in der Nordsee der Windpark He Dreiht entstehen, der mit seiner Leistung von knapp 900 Megawatt fast einem Atomkraftwerk entspricht. Sollte es bei einem solchen Kraftwerk zu einem Ausfall kommen dann hat dieser schwerwiegende Konsequenzen für die Versorgung in Deutschland eventuell sogar Europa.
Doch auch der „Neustart“ einer solchen Anlage erweist häufig als schwierig. Da im Gegensatz zu einem konventionellen Kraftwerk die meisten Windanlagen nicht in der Lage sind einen sog. „Schwarzstart“ vorzunehmen. Unter einem „Schwarzstart“ versteht man die Möglichkeit eines Kraftwerkes unter Einsatz der eigenen Kraft, also ohne externe Netzversorgung, wieder zu starten und so die Netzversorgung wieder aufzubauen. Diese Möglichkeit ist bei Windanlagen außerdem auch kaum erforscht, weshalb es das Projekt Wind-2-Grid des Instituts für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB) unter der Leitung von Prof. Orlik an der Universität Bremen gibt.
Das Projekt untersucht, wie einzelne Windturbinen und Gruppen von Turbinen schwarzstarten können, um sich selbst mit Strom zu versorgen und ein Inselnetz aus mehreren Turbinen zu schaffen. Schließlich sollen sich Windparks wieder sicher und nachhaltig mit dem Netz synchronisieren können, ohne ihre Stabilität zu gefährden. „Bisher waren Windparks so klein, dass sie wenig mit der Netzstabilität zu tun hatten. Das ändert sich schnell. Ziel ist es, Windparks nach und nach ans Netz zu bringen, ohne die Stabilität zu beeinträchtigen. Wir wollten verstehen, wie man das auf wirtschaftliche und nachhaltige Weise schaffen kann“, sagt Florian Redmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im IALB-Projekt.
Die ist die Windanlagen mit Lithium-Akkus oder Wasserstoff-Generatoren auszustatten um so die Energieversorgung auch beim auch Ausfall wieder zu starten. Dabei könnten vor allem die Wasserstoff-Generatoren vielversprechenden sein, wir verweisen an dieser Stelle einfach mal auf das vorher beschriebene. Das Beste daran wäre das die Versorgung mit Treibstoff autark passieren würde.
Mit Windstrom betriebene Elektrolyseure direkt an der Anlage oder im Park könnten Wasserstoff erzeugen und in Tanks zwischenspeichern. Kommt es zu einem Stromausfall, erzeugen Brennstoffzellen wiederum Strom aus diesem Wasserstoff, der dann genutzt werden kann, um die Windenergieanlagen online zu bringen. Das kann bis zu mehreren Stunden dauern – je nachdem, wie viel Wind weht und wie lange der Netzausfall dauert. Dementsprechend groß müssen die Speicher dimensioniert werden.
Eine Herausforderung für dieses Konzept: Kosten. Aufgrund der hohen Kosten für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in Windparks verringert dies die Rentabilität des Systems. „Deshalb suchen wir auch nach weiteren Einsatzmöglichkeiten für unser Modell. Ohne Stromausfall kann der Elektrolyseur schwarzstartfähig sein und auch Wasserstoff für andere Verbraucher produzieren und weiterverkaufen“, so Mielach.
Stromausfälle werden durch intelligente Windenergie vorgebeugt
Durch den intelligenten Umgang mit der Windenergie und einigen Verbesserungen hier und da müssen wir uns auch in Zeiten der Energiewende keine Sorgen um Stromausfälle machen. Dabei bietet die Energiewende und vor allem die Windenergie nicht nur eine der besten Möglichkeiten um den Klimawandel zu verhindern, sondern auch wirtschaftliche Anreize für den Industriestandort Deutschland. Hinzukommt auch noch das durch die neuen Energien den europäischen Ländern noch enger miteinander verbunden werden und so ein Wirtschaftsblock Europa auch in der Energiebranche entsteht. So können wir die Herausforderungen einer elektrifizierenden Zukunft mit nachhaltigen Energien schaffen ohne dass wir im Dunkeln sitzen müssen.
Kommentare